Arbeitszeitenerfassung: Wie muss sie aussehen?
Seit einiger Zeit steht die Frage im Raum, ob Regelungen der EU auch Unternehmen in Deutschland dazu verpflichten, pro Tag jede Arbeitsstunde ihrer Mitarbeiter nachvollziehbar aufzuzeichnen. Die Antwort des Europäische Gerichtshofes aus dem Mai des Jahres 2019 zur Zeiterfassung lautet dabei ganz klar: Ja!
Allerdings ist seit der Verkündung dieses Urteils eine kontroverse Debatte darüber ausgebrochen, wie die rechtliche Basis der Arbeitszeiterfassung in Deutschland dabei zukünftig aussehen muss. Nun wurde ein Gutachten durch das Hugo Sinzheimer Institut für Arbeitsrecht zu diesem Thema veröffentlicht, welches versucht, auf die offenen juristischen Fragen Antworten zu finden.
Das Gutachten des Hugo Sinzheimer Instituts
Im Rahmen des Gutachtens, welches durch das Hugo Sinzheimer Institut für Arbeitsrecht in Auftrag gegeben wurde, wird bestätigt, dass aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für die Bundesrepublik ein Handlungsbedarf abgeleitet werden kann. Dies war in den zahlreichen Diskussionen, die das Urteil angestoßen hat, stets umstritten gewesen.
So sind alle Unternehmen in Deutschland dazu zu verpflichten, die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter aufzuzeichnen. Aktuell ist diese grundlegende Pflicht zur Erfassung in Deutschland jedoch nicht präzise definiert. Aus diesem Grund wird gefordert, eine Änderung des Arbeitszeitgesetzes in Deutschland vorzunehmen.
Auch wird durch das Gutachten bestätigt, dass in Deutschland durch das ergangene Urteil bereits heute eine verbindliche Wirkung entfaltet wird. Von dieser sind längst nicht nur der Gesetzgeber, sondern ebenfalls die Arbeitsgerichte betroffen.
Ab der 0. Stunde – Erfassung der Arbeitszeit
Bis zu der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes galt, dass für Arbeitgeber per Gesetz nur die Pflicht bestand, Arbeitszeiten zu erfassen, wenn diese eine tägliche Arbeitszeit von acht Stunden überschritten. Diese Lücke ist zukünftig jedoch zu schließen, sodass die Erfassung der Arbeitszeit bereits ab der 0. Stunde gewährleistet werden muss.
Das Gutachten liefert außerdem auch Empfehlungen und Einschätzungen zu der detaillierten Gestaltung der Zeiterfassung im Einzelfall. In diesem Zusammenhang steht besonders die Frage im Raum, welche Qualitätsanforderungen an die eingesetzten Systeme bestehen. Daneben gilt jedoch auch zu klären, welche Daten überhaupt erfasst werden müssen. Die Vorgabe des Europäisches Gerichtshofes lautet dazu, dass sich die Zeiterfassungssysteme als leicht zugänglich, objektiv und verlässlich erweisen müssen.
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Arbeitszeiterfassung
Der Hintergrund des in Auftrag gegebenen Gutachtens besteht in der Entscheidung, welche der Europäische Gerichtshof am 14. Mai des Jahres 2019 getroffen hat. In dem Urteil wurde verlautet, dass in sämtlichen Mitgliedsstaaten der EU für Arbeitgeber eine Verpflichtung bestehen muss, ein zugängliches, verlässliches und objektives System zu implementieren, welches dazu dient, die Arbeitszeiten der Mitarbeiter aufzuzeichnen.
Sowohl in der Politik als auch in Fachkreisen ist im Nachgang dieses Urteils eine hitzige Diskussion entbrannt. Das Urteil wurde so von vielen Arbeitgebern als moderne Interpretation des Stechuhr-Prinzips ausgelegt, sodass diese die europäische Entscheidung ablehnten. Allerdings sahen Gewerkschaften, die Neue Richtervereinigung und auch das Bundesarbeitsgericht in dem Urteil des EuGH einen konkreten Handlungsauftrag für den deutschen Gesetzgeber.
Das Urteil wurde darüber hinaus durch den DGB, den Deutschen Gewerkschaftsbund, begrüßt. Daher beschloss der Gewerkschaftsbund bereits vor einiger Zeit ein Eckpunktepapier, welches den Gesetzgeber über die rechtspolitischen Erwartungen auf Seiten der Gewerkschaften in Zusammenhang mit der Umsetzung des Urteils aufklärt.